06.12.2012

alle jahre wieder

Das war natürliche eine schlechte Idee, aber ich hasse es, mich umzuentscheiden und steige vom Rad. Es schiebend dringe ich in den Christkindlmarkt vor. Neben dem Eingang zur Ottoburg steht ein stark riechender, bärtiger Mann mit zwei verschiedenen Schuhen an den Füßen. Manchmal brüllt er unvermittelt vorbeidefilierende Touristen an: "Abfahren, Aaabfahren!" Er ist mir sympathisch. Irgendwo dreht sich ratternd ein Glücksrad, oder wie diese Scheiben mit Zahlen auch heißen, die Pech in Geld verwandeln. Vor mir eine Gruppe Italiener, deren primitiv vulgäres Idiom mich abstößt. Ihre lächerlich ernsthaften Sonnenbrillen nötigen mir ein Grinsen ab. Eine dicke Frau deutet auf den Kitsch eines der Stände: "Dat muss alles glitzern hier, siehste?" Danke, ja, lasst mich vorbei ihr Deppen. Fette, in Pelzmäntel gehüllte Leiber bilden einen zähflüssigen Menschenstrom, der, wie eine Amöbe aber weniger zielstrebig, durch die engen Gassen der Altstadt schwappt. Schließlich die Rettung. Die goldenen Bögen, der Hauch verbrannten Öls, Jugendliche in bunten Jacken und viel zu großen Mützen. Ich gehe eigentlich gern zu McDonalds. Hier laufe ich nicht Gefahr, einen meiner sogenannten Kollegen zu treffen. Keine ermüdenden, pseudointellektuellen Gespräche, die mich nicht interessieren. Hier in der Anonymität des Fastfoodtempels bin ich ein stummes Chamäleon. Ich würge genüsslich ein sogenanntes Menu runter und packe meine Sachen, um zu gehen. Draußen schneit es inzwischen und alle schauen mit blöde glitzernden Augen gen Himmel. Mein Magen revoltiert, als ich mich bücke und das Fahrradschloss öffne. Nun stellen Sie sich bitte folgendes vor: Ich stehe mit dem Rad auf der Straße, unfähig mich zu bewegen, ohne gleichzeitig jemanden zu tangieren. Da kommt so eine fette Familie auf mich zugewalzt und die dumme Mutter keift mich an, ob ich nicht ausstellen könne. Ich bedeute ihr, dass das unmöglich sei, ich bin vollkommen eingekeilt zwischen Christkindlmarktbesuchern. Die Alte zeiht mich einen Vollidiot, rempelt mich im Vorbeigehen an und ich kann mich nicht mehr halten. Ich kotze ihr den rechten Ärmel des Pelzmantels voll, schwenke, schwanke und bedenke auch ihren quietschenden Nachwuchs mit einem Schwall lauwarmer Essensreste. Geschrei, Gefuchtel, dann ist da ein wenig Platz. Ich schwinge mich aufs Rad und trete los. Am Ausgang der Altstadt sehe ich den Bärtigen wieder: "Abfahren, Abfahren alle!" Wie recht er hat.