11.04.2017

c0un74ach_84 – n1ce sh0es!

09.03.2017

Die Sichtbarmachung jahrelanger Arbeit

Die wunderbare Hybridedition der Briefe Ernst Tollers ist in ihrem digitalen Anteil bereits öffentlich zugänglich!

Geneigte LeserInnen dürfen bereits unter 
https://userpages.uni-koblenz.de/~tollerprojekt/
in den Briefen stöbern. 
Über Rückmeldungen freuen wir uns sehr!

01.08.2016

Niemand erzählt von den Fliegen

Ein Schlachtfeld. Morgengrauen, Gestöhne, vereinzelte, dumpfe Schreie zuckender Körpermasse. Eine Seite hat gewonnen, alle haben verloren. Leben, Zukunft, Unschuld. Blutboden des Neubeginns. Hochtechnologie in todesstarren Händen, Kampfmesser mit Karbongriffen, Magazine mit hüllenloser Munition, gelegentlich ein RPG. Das alte Lied vom alten Bild des Soldaten, der die eigenen Eingeweide wieder in seinen Bauchraum stopft. Man kennt das ja, als Bild. Ein Jungschauspieler, der schon damals mit seiner eindrucksvollen Darstellung des im Angesicht des Todes ungläubig weiterlebenden Gefreiten aufgefallen war. Woher kommt der Dunst? Wer hat hier das Sagen? Wo sind die überlebenden Toten? „Der humanste Krieg, der möglich ist.“ sagt man. Es gibt keine Seiten. Es gibt Oben und Unten. Oben Maschine, unten Zielgebiet. Und so hofft sie weiter, Mutter Natur, dass sie endlich eingehen. In die Erde. In die Geschichte. Und schickt die Fliegen.

02.07.2016

Die vollständige Begründung meiner Publikumsstimme für Stefanie Sargnagel, die ob der knausrigen Maximalanzahl von 400 Zeichen nicht in die Eingabemaske von 3Sat eigegeben werden konnte.

Stefanie Sargnagel hat mit ihrem Auftritt vor allem eines bewiesen: Totale Hingabe.
Wie sonst wäre es möglich unter Studioscheinwerfern eine dicke, rote Baskenmütze zu tragen?
Sogar Kastberger entblößte seine Ober- und Unterarme, da er der Hitze nicht standhalten konnte.
Diese Hingabe der Sargnagel fand ich auch in ihrem Text wieder, der gnadenlos das wohl seit Jahrhunderten wichtigste Thema Österreichs verhandelte: Wer denn wo und wann am besten scheißen gehen solle.
In diesem Sinne gibt es wohl nur eine Autorin, der ich das Preisgeld vergönne, auf dass es in Form vieler flatternder Scheine den Boden ihrer Wohnung bedecke!

Prost!

22.04.2015

Folgen mit Konsequenzen

Es blieb also zu befürchten, dass er Willibald Nothanker, genannt Willi, sich mit dieser einen Geste, die so unbedacht wie ungeschickt an diesem lauen Frühlingsabend in verzweifelter Unbeholfenheit und nur zum Schutze der seinigen ausgeführt worden war, dermaßen lächerlich gemacht hatte, dass er seit diesem Abend als jener bekannt sein sollte, als der er Jahre später nicht nur im Dunstkreis der unwirklichen Stadt Furore machen sollte. Als Maßstab für die Infamie, als welche der ins Gesicht des Feuerwehrhautpmanns gestreckte Mittelfinger Willis mag die Reaktion der anwesenden Fürstin Clothilde gelten, die sich augenscheinlich unter einigen Schmerzen in die Betunien, welche die Terrasse säumten, übergab. "Friedrich!", erscholl darauf die Stimme von Willis Schwester, die in ihrer Demenz ständig die Namen der beiden Brüder verwechselte. Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, dass die Affäre Willis mit Kunigunde, der Frau Frau des Feuerwehrhauptmanns, die denkbar tragischste Folie, vor der dies gesellschaftliche Debakel sich abspielen konnte, bot.

02.12.2013

Moddus: Vortrag mit Inter-esse

Mithin ambivalente Prozesse wurden vormals gleichzeitig formal-hegemonial und eklektizistisch-konvergierend verhandelt.
Die Inszenierung der heterogenen Wissensbestände begreift panoptisch die Kolonialität der klassischen Akteure, um vielschichtige methodisch-kritische Visualisierungsprozesse museal zu repräsentieren.
In nuce zeitigt das kontextuelle Interesse des Narrativs Kontraste zwischen der strukturellen, authentischen Faktizität und der institutionell explizit kanonisierenden Perspektive.

Setzkastenmentalität.

22.10.2013

wer nicht wagt, der nicht gewinnt. daniel kehlmanns "F"

vor kurzem durfte man noch hoffen, dass nach dem eher missglückten "Ruhm" mit "F", dem neuen roman von Daniel Kehlmann, ein würdiger nachfolger zu seinem zu recht erfolgreichen text "Die Vermessung der Welt" erscheint.
diese hoffnungen werden nun enttäuscht.

das buch liest sich wie ein potpourri aus motiven, versatzstücken, die so oder so ähnlich bereits in anderen veröffentlichungen Kehlmanns ihren platz hatten.

die geschichte dreier brüder sowie ihres vaters wird aus verschiedenen blickwinkeln geschildert und so muss man mitunter ein und dasselbe ereignis mehrmals miterleben. das trug in "Ruhm" schon weniger zur unterhaltung der leserschaft bei und auch bei "F" ist das ganze dem lesegenuss eher abträglich, sobald man die erzählstrategie erkannt hat. die drei brüder haben gemein, dass sie große täuscher sind, jeder jeweils in seinem bereich: Martin, der halbbruder der zwillinge Iwan und Eric, katholischer, übergewichtiger priester, übt seine profession noch aus, obschon er sich innerlich längst vom glauben abgewandt hat. Erics handlungsstrang spielt im umfeld von finanzspekulatoren, die ein kaltes, luxuriöses leben führen und sich daran nicht erfreuen können. Eric ist ebenfalls ein täuscher. er fälscht die bilanzen seiner firma. manche szenen erinnern an Bret Easton Ellis' "American Psycho", nur ohne drastik und spannung. Iwan, dessen geschichte eine kunstsatire im stil von "Ich und Kaminski" ist, malt bilder unter dem namen eines bereits verstorbenen künstlers. der vater der drei, der schriftsteller Arthur Friedland, begibt sich nach dem besuch einer vorstellung eines illusionskünstlers beziehungsweise hypnotiseurs ins soziale exil und konzentriert sich von dort aus auf seine schriftstellerische arbeit, was dem rest der welt bücher wie "Mein Name sei Niemand" (anklang an den "Illusionisten" Gantenbein aus Max Frischs altersroman) oder "Familie" (eine rästelhafte, magisch schaurige genealogie mit parallelen zu Gabríel Gárcia Marquez "Tausend Jahre Einsamkeit") beschert.

eine anrufung der hausgeister also.

teilweise kippt die erzählung auch ins metafiktionale, was in Kehlmanns œuvre nicht gerade ein novum ist, wenn man an die erzählung "Pyr" aus "Unter der Sonne" oder den text "Mein Porträt" denkt. versatzstücke aus "Mahlers Zeit" (insekten, zeitdehnung), "Beerholms Vorstellung" (magie, illusionskunst) und "Ruhm" (polyperspektivität, unsägliche literarisierung von SMS) finden sich zu hauf und erwecken zwangsläufig den eindruck eines aufgusses mit bekannten zutaten.

grobe mängel in der darstellung von streitgesprächen werden hingegen evident, wenn man solches lesen muss:

"Schweinvieh!", brüllte Knut.
"Dreckshund!" brüllt der Straßenkehrer.
"Scheißmaul!"
"Drecksau!"
"Sauschwein! Schwein! Schwein!"
("F", S. 213)


eine szene, in der beschimpfungen ausgetauscht werden, die so prüde und unangemessen zurückhaltend und somit lächerlich erscheinen, dass sie weniger von der unbeholfenheit der figuren als der des autors zu künden scheinen. mag der geneigte leser das doppelt vorkommende "Schwein!" mit viel gutem willen auf die szene in auerbachs keller aus Goethes Faust beziehen ("Doppelt Schwein!"), bleibt der zweck einer solchen anspielung wohl im dunkeln.

das unschöne wort selbstbespiegelung drängt sich bei der lektüre von "F" unweigerlich auf. Kehlmann täte gut daran, sich, wie in der "Vermessung", einem externen stoff zuzuwenden, anstatt seine weniger populäre prosa wiederzukäuen.

"F" bleibt somit letztlich ein text für Kehlmann-aficionados, denn für alle anderen ist dieses best-of der bisherigen veröffentlichungen des autors ein worst case.

12.02.2013

das brett, das die welt bedeutet

es gibt CDs, die rücken die aus den fugen geratene welt der musik wieder gerade, um sie im anschluss zu überfahren und somit myriaden gut produzierter aber schlecht gemeinter popgespinste in grund und boden zu relativieren. es mag vermessen klingen, doch jene platte, die gepresst wurde, um alle anderen zu knechten, wurde schon in den 90ern bejubelt und in den feuern zahlloser arenen gehärtet. man stelle sich eine akustische interpretation des folgenden vor. 

vier auf mechanischen schlachtrössern über die metallisch glänzenden reste von städten dahinpreschende recken, deren konturen schwarz ausfransen. ihre augen hinterlassen glühende spuren in der flirrenden luft und sie scheinen eigentümlich bewaffnet zu sein. das stählerne galoppieren der vier ist bestechender rhythmus, der vom sengenden singen der wenigen sonnenstrahlen begleitet wird. vor ihnen leiber, die mit stockenden, langsamen bewegungen zu einem leib verschmelzen. augen, fratzen, krallen, körperflüssigkeiten. 25 Years gewartet, auf diesen moment. kettensägen, sensen, hämmer, äxte. fleisch wird zerteilt, knochen gespalten, der rest zerquetscht und unter schwarzen hufen der erde näher gebracht. Shedding my skin, um den gestank loszuwerden. 
was bleibt, ist verbrannte erde und der wunsch nach mehr.

Pantera: Far Beyond Driven. East West 1994.

06.12.2012

alle jahre wieder

Das war natürliche eine schlechte Idee, aber ich hasse es, mich umzuentscheiden und steige vom Rad. Es schiebend dringe ich in den Christkindlmarkt vor. Neben dem Eingang zur Ottoburg steht ein stark riechender, bärtiger Mann mit zwei verschiedenen Schuhen an den Füßen. Manchmal brüllt er unvermittelt vorbeidefilierende Touristen an: "Abfahren, Aaabfahren!" Er ist mir sympathisch. Irgendwo dreht sich ratternd ein Glücksrad, oder wie diese Scheiben mit Zahlen auch heißen, die Pech in Geld verwandeln. Vor mir eine Gruppe Italiener, deren primitiv vulgäres Idiom mich abstößt. Ihre lächerlich ernsthaften Sonnenbrillen nötigen mir ein Grinsen ab. Eine dicke Frau deutet auf den Kitsch eines der Stände: "Dat muss alles glitzern hier, siehste?" Danke, ja, lasst mich vorbei ihr Deppen. Fette, in Pelzmäntel gehüllte Leiber bilden einen zähflüssigen Menschenstrom, der, wie eine Amöbe aber weniger zielstrebig, durch die engen Gassen der Altstadt schwappt. Schließlich die Rettung. Die goldenen Bögen, der Hauch verbrannten Öls, Jugendliche in bunten Jacken und viel zu großen Mützen. Ich gehe eigentlich gern zu McDonalds. Hier laufe ich nicht Gefahr, einen meiner sogenannten Kollegen zu treffen. Keine ermüdenden, pseudointellektuellen Gespräche, die mich nicht interessieren. Hier in der Anonymität des Fastfoodtempels bin ich ein stummes Chamäleon. Ich würge genüsslich ein sogenanntes Menu runter und packe meine Sachen, um zu gehen. Draußen schneit es inzwischen und alle schauen mit blöde glitzernden Augen gen Himmel. Mein Magen revoltiert, als ich mich bücke und das Fahrradschloss öffne. Nun stellen Sie sich bitte folgendes vor: Ich stehe mit dem Rad auf der Straße, unfähig mich zu bewegen, ohne gleichzeitig jemanden zu tangieren. Da kommt so eine fette Familie auf mich zugewalzt und die dumme Mutter keift mich an, ob ich nicht ausstellen könne. Ich bedeute ihr, dass das unmöglich sei, ich bin vollkommen eingekeilt zwischen Christkindlmarktbesuchern. Die Alte zeiht mich einen Vollidiot, rempelt mich im Vorbeigehen an und ich kann mich nicht mehr halten. Ich kotze ihr den rechten Ärmel des Pelzmantels voll, schwenke, schwanke und bedenke auch ihren quietschenden Nachwuchs mit einem Schwall lauwarmer Essensreste. Geschrei, Gefuchtel, dann ist da ein wenig Platz. Ich schwinge mich aufs Rad und trete los. Am Ausgang der Altstadt sehe ich den Bärtigen wieder: "Abfahren, Abfahren alle!" Wie recht er hat.

16.11.2012

grillhof

raoul
auch wenn du
so unwiderstehlich smart
deine gedankenbücher totzitierst
bleibt am ende lediglich
ein großer haufen schrott

reicht es dir
jahr und tag
gelehrsamkeit 
nur feilzubieten
oder machst du
irgendwann
auch mal nen 
genießertext?