Schon als ich heute aufwachte und auf der Suche nach Frühstück in die helle Leere des
Kühlschranks blickte, schien es mir, als wäre ich nicht allein in der kleinen Küche meiner
Garçonnière. Beim Zähneputzen spürte ich, wie jemand die fahrigen Stöße der Bürste
verfolgte und auch der tiefe Schnitt der Zahnseide in das Fleisch zwischen meinen
Schneidezähnen wurde beobachtet. Auf dem Weg zur Uni, den ich, wie jeden Tag, Fahrrad
fahrend bestritt, versuchte ich meinen Beobachter durch abruptes Umdrehen abzuschütteln,
was zu Hupen, Reifenquietschen und möglicherweise einem Blechschaden führte. In der
Vorlesung setzte ich mich in die letzte Reihe. Ausgeschlossen, dass mich jemand anstarren
konnte. Mehrmals warf ich meinen Kopf ruckartig herum, musste mich aber jedes Mal von der
totalen Nichtexistenz meines Beobachters überzeugen. Ich wurde halb wahnsinnig, als ich
bemerkte, wie jemand auf die Narbe hinter dem linken Ohr blickte, die von einem
kindheitlichen Schaukelunfall herrührte. Mit Schwitzen und Zittern überlebte ich die
Lehrveranstaltung. Obwohl ich Übles ahnte, zwang mich das Gesetz der Natur zum Aufsuchen
der Toilette. Vor dem Spiegel stehend wischte ich mir milchige Schweißperlen mit grünen
Papierhandtüchern weg.
Ich werfe sie in den Müll und sehe mich um. Niemand? Schließlich halte ich es nicht länger
aus, reiße meinen Hosenstall auf und springe vor ein beliebiges Pissoir. Ich greife an den
Saum der Boxershorts, ziehe ihn nach unten, taste nach... Halt! Jetzt reichts! Was glaubst Du
eigentlich, wer Du bist? Jetzt hör schon endlich auf mich anzustarren und such Dir etwas
Anständiges zu lesen! Hiergeblieben! Jetzt bin ich am Zug. Ohne Dir zu verraten, wie ich dort
hingekommen bin, stehe ich vor Deiner Tür. Ich weiß, Du bist nicht zu Hause. Zum Glück
kenne ich mich recht gut mit Schlössern aus. Zuvor habe ich mir meine Bergschuhe
angezogen. Die mit dem richtig groben Profil. Mit ihnen bin ich durch den kleinen Park
gelaufen, den alle nur benutzen, um ihre Hunde Gassi zu führen. Ich bin in jeden einzelnen
Hundehaufen getreten. Endlich ist die Tür offen. Deinen hässlichen Fußabstreifer benutze ich
natürlich nicht. Mann, stinkt es bei Dir. Widerlich. Als erstes gehe ich in Deine Küche. Kann
sein, dass ich schon ein paar Bier intus habe. Ich nehme den großen Topf und mache ihn voll.
Dein Bett scheint recht weich zu sein. Ich hinterlasse braune Fußabdrücke. Ja, schau nur her!
Mit Deiner Zahnbürste kratze ich den letzten Dreck von meinen Schuhen. Schau mich nur an!
Ich grinse, wenn ich die Tür wieder hinter mir schließe. Lass Dir das eine Lehre sein. Du
Voyeur!
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